Ehemalige des Franken-Gymnasiums trafen sich mit Spaten und Spitzhacke und suchten nach einer Kiste, die vor 27 Jahren vergraben wurde.
Das hatten sich alle Beteiligten leichter vorgestellt.
Im Juni 1993 überlegte sich die Klasse 8c unter der Leitung von Gabrielle Thumann ein besonderes Geschenk zur Taufe des städtischen Gymnasiums Zülpich auf den Namen Franken-Gymnasium. Sie füllten eine Kiste mit Erinnerungen und verbuddelten sie auf dem damaligen Oberstufenschulhof (heute Schulhof 3).
Bevor nun bald zur Umstrukturierung des Schulgeländes die Bagger anrücken, galt es, das Taufgeschenk von damals zu retten. Spontan fanden sich Anfang September 2020 ein paar ehemalige Schüler an einem Freitagabend zusammen, um den Schatz zu bergen.
Im jugendlichen Leichtsinn hatten die Schüler 1993 in einem Protokoll die Stelle, an der die Kiste vergraben wurde, wie folgt beschrieben: "Von der großen Kiefer (neben der Telefonzelle) aus 42 Schritte (Schuhgröße 41) Richtung Tischtennisplatten".
Dass 27 Jahre später weder die Telefonzelle noch die Tischtennisplatten existierten, machte die Suche nach dem Schatz äußerst kompliziert. Bevor also der erste Spatenstich getan wurde, gab es lange und ausgiebige Diskussionen über den Vergrabungsort, die jedes Mal, wenn jemand Neues dazukam, auch wieder von vorne anfingen. Im Groben konnte man sich auf einen Bereich von ca. 2x3m einigen und begann fröhlich zu hacken und zu schaufeln. Auch über die Größe, die Farbe und den Inhalt der Kiste existierten verschiedene Mythen. Von "so groß wie eine Kiste Kölsch" über "blau, auf jeden Fall blau" bis hin zu "Das war so ein großer gelber Mülleimer mit Deckel" wurde da geredet. Und "Wie tief war das Loch denn?" Auch hier gingen die Meinungen von einem halben Meter bis 2 Meter arg auseinander. Unterstützt wurde der Ausgrabungstrupp seelisch und moralisch von Schulleiter Joachim P. Beilharz und von Bürgermeister Ulf Hürtgen (ebenfalls ein Ehemaliger). Die damalige Klassenlehrerin Gabrielle Thumann und der damalige stellvertretende Schulleiter Paul Georg Neft, die 1993 erheblich an der Vergrabung beteiligt waren, warteten ebenfalls auf den großen Fund. Große Hoffnung lag auf den Schultern des Hausmeisters Stephan Peters, der 1993 auch mitgeholfen hatte, das Loch zu buddeln. Nachdem der Schulleiter ihn telefonisch darüber informierte, dass auf Schulhof 3 ein paar wildgewordene Ehemalige das Fundament für einen Pool aushoben, kam er vorbei, um nach dem Rechten zu schauen. Alle dachten, dass der Hausmeister den genauen Ort zeigen konnte, an dem der Schatz vergraben wurde. Sein einziger offizieller Kommentar war: "Seid ihr aber alle alt geworden".
Schnell machte sich ein wenig Frust beim Grabungstrupp breit. Inzwischen lagen 1 1/2 Stunden körperliche Schwerstarbeit hinter ihnen und die Nerven langsam blank. Irgendetwas, was nach Kiste aussah, leider nicht in Sicht. Rufe nach einem Bagger wurden laut, oder nach einem Traktor mit Grubber. Auch wenn man dem Schulleiter versichert hatte, nur ein kleines Loch zu graben und es ordnungsgemäß wieder zuzuschütten, war der Ehrgeiz aller Anwesenden gepackt. Man wollte den Schatz unbedingt bergen. Jetzt kam die große Stunde von Bürgermeister Ulf Hürtgen. Innerhalb weniger Minuten gelang es ihm, den Landwirt Goris aus Zülpich inklusive Traktor und Grubber zu mobilisieren. Durch den Grubber wurde der Boden ordentlich aufgelockert und es ließ sich leichter graben. Der Grabungsbereich vergrößerte sich etwas (die gesamte Rasenfläche des Schulhofs war nun betroffen). Durch die bald anstehende Umgestaltung des Schulhofs nickte Ulf Hürtgen alles ruhigen Gewissens ab. Erneut mobilisierte man alle Kräfte und hoffte, auf die Kiste zu treffen. Intensiv beobachtet wurden die Ausgrabungen vom Landwirt Leo Wolter aus Enzen. Auch ihn hatte das Schatzsuchfieber gepackt. Nach Stunden vergebenen Grabens machte er das Angebot am nächsten Tag mit Traktor und Frontlader anzurücken und die Schatzsuche zu unterstützen.
Erschöpft beendeten die Ehemaligen den Abend. Es waren sehr lustige Stunden, viele Erinnerungen wurden ausgetauscht, viele hatten sich jahrelang nicht mehr gesehen. Ein wenig enttäuscht war man aber, so manch einer hatte die Hoffnung schon aufgegeben.
Wie verabredet traf man sich am nächsten Tag um 15:00 Uhr mit Leo Wolter auf ein Neues.
Schon 10 Minuten später wurde der Schatz mit Hilfe des Frontladers von Leo Wolter geborgen. Schnell wurde die Nachricht an alle Beteiligten des Vorabends verbreitet. So hatte der lustige Abend am nächsten Tag doch noch sein Happy End gefunden.
Die Grünfläche von Schulhof 3 sieht momentan aus wie eine Mondlandschaft oder als ob - Zitat Ulf Hürtgen - "sich eine Wildschweinrotte durch Zülpich gepflügt hätte". Doch für einen 27 Jahre alten Schatz hat sich der Aufwand gelohnt.
Übrigens: Die Kiste war grün und kleiner als eine Kiste Kölsch. Da es als Taufgeschenk für den Namen FRANKEN gedacht war, hatten die Schüler der 8c zu jedem Buchstaben des Wortes FRANKEN 2 Erinnerungen hineingepackt. So fand man neben der aktuellen Bundesligatabelle von 1992/93 eine Fernsehzeitschrift, eine Kassette mit Rap-Musik, eine Radlerhose, ein Päckchen Kondome, eine Europafahne, Flaggen der 16 Bundesländer, ein Buch, einen Film, einen DDR-Pfennig und ein Stück Berliner Mauer - alles noch sehr gut erhalten.
Ausgestellt werden die Ausgrabungsfunde demnächst in einer Vitrine in der Schule - Erinnerungen an 27 Jahre FRANKEN-Gymnasium.
Ilona Anacker